Einen Fahrschein muss ich kaufen,
Um mich später auszuweisen,
Denn sonst glaubt die Schaffnerin,
Ich sei unerlaubt auf Reisen,
Doch wenn ich den Zettel habe,
Kann ich’s ihr damit beweisen.
Jetzt muss ich nur hoffen, warten,
Dass auf den verwaisten Gleisen
Bald mein Zug gefahren kommt,
Schnurgerade zieh’n die Schneisen
Durch den dichten Kiefernwald,
Bis zum Horizont liegt Eisen.
Winters Kälte lässt mich frieren,
So muss ich mit den Armen kreisen,
Von einem Bein aufs and’re hüpfen,
Um nicht am Bahnsteig festzueisen,
Die Dunkelheit setzt auch schon ein,
Was würd‘ ich einen Zug lobpreisen.
Allmählich knurrt mein leerer Magen,
Im Rucksack suche ich nach Speisen,
Find einen Keks, den Rest vom Tee,
Und horche auch auf die ganz leisen
Geräusche, die von Ferne dringen,
Doch sind’s in diesem Fall nur Meisen.
Ich spür, wie die Gedanken kreisen,
Auf leerem Bahnsteig, leeren Gleisen,
Mit leerem Magen ohne Speisen,
Ich seh mich schon als alten Greisen,
Als Vogelscheuche für die Meisen.
Ach, könnte ich doch endlich reisen!
Und die Moral von dem Gedicht?
Der Zug kommt pünktlich? Leider nicht.
David Damm, 2021
So oder so ähnlich geschehen nach einer winterlichen Wanderung von Friedrichshagen zum Müggelsee, am dortigen Ufer entlang bis zum Strandbad und weiter durch den Kiefernwald zum S-Bahnhof Rahnsdorf. Der Zug ratterte gerade über die Brücke, als ich noch zweihundert Meter zurückzulegen hatte. Rennen aussichtslos. Die erleuchtete Bahn so nah und doch so fern. Sie fuhr einfach ohne mich davon. Der nächste Zug sollte erst in zwanzig Minuten kommen. Was tun in der Kälte? Hier im Nichts von Berlin, das eher nach tiefstem Brandenburg aussah. Gerade einmal drei große Waldhäuser, vielleicht ehemalige Forsthäuser, konnte ich vom Bahnsteig ausmachen. Unten an der Straße lag eine winzige Keramikwerkstatt, wo ich mich fragte, wer hier überhaupt vorbei käme, um etwas einzukaufen. Die Kälte schlug rasch zu, wo ich mich nicht mehr bewegte, so dass ich tatsächlich einige sportliche Übungen wie Hampelmänner vollführte. Ich will mir gar nicht vorstellen, was das Stadtbahnbahnsteigüberwachungspersonal beim Betrachten der Monitore der Überwachungskameras im gut geheizten Kämmerlein gedacht haben mag …
Mindsplint sagt:
🙂 ….komm gut ins Neue Jahr!
31. Dezember 2021 — 13:36
David sagt:
Danke, das wünsche ich dir ebenso. Guten Rutsch! 🙂
31. Dezember 2021 — 15:06
brigwords sagt:
Cooles Gedicht
Alles Gute im neuen Jahr, ich freue mich schon auf deine neuen Beiträge
Liebe Grüsse Brig
31. Dezember 2021 — 17:39
David sagt:
Danke Brig, einen guten Start ins neue Jahr!
31. Dezember 2021 — 18:55
Joachim Schlichting sagt:
20 Minuten warten geht ja noch. Ich hatte mal ein ähnliches Erlebnis mit einem knapp verpassten Zug, dessen Nachfolger in einer Stunde kommen sollte, dann aber ganz ausfiel, weil er in Schneewehen festsaß. Taxis konnten auch nicht fahren… war also alles sehr verfahren.
1. Januar 2022 — 8:49
David sagt:
Natürlich hast du recht, die zwanzig Minuten sind ein Klacks. Aber man ärgert sich trotzdem. 😉
Musstest du in deinem Fall eine ungeplante Übernachtung einschieben, um am nächsten Tag weiterreisen zu können?
1. Januar 2022 — 13:29
lunaewunia sagt:
Das klingt schon nach einem klenen Abenteuer! ^^ Auch wenn ich in solchen Momenten tierisch fluche, freue ich mich da bereits auf das Erzählen dieser Geschichte – was du hier sehr amüsant vollbracht hast!
1. Januar 2022 — 10:14
David sagt:
Vielen Dank. In der Situation ist es ja oft nicht so lustig, aber es regt die kreativen Synapsen an. 🙂
1. Januar 2022 — 13:25