Nachdem ich vor einigen Wochen auf www.autorenwelt.de angeschrieben worden war, ob ich Lust an einem Autorenstammtisch in Berlin hätte, war es nun heute so weit. Diese erste Zusammenkunft von interessierten Schreibern fand bei einem Italiener am Marheinekeplatz in Kreuzberg statt. Von den Urban Sketchers in Berlin, die manchmal in der Markthalle zeichnen, kannte ich diesen Platz, musste aber feststellen, dass ich in dieser Ecke noch nie gewesen bin.
Kurz vor Sieben betrat ich das Restaurant, fragte einen Kellner nach dem Autorenstammtisch und wurde in den hinteren Raum verwiesen. Links an einem Tisch saßen schon einige Leute, die sich bei Speis und Trank angeregt unterhielten. Ich vermutete, dass sie sich untereinander kannten und etwas früher getroffen hatten. Am Tisch daneben ließ ich mich nieder und war gespannt, wer noch kommen und wann es richtig losgehen würde. Wenig später trafen die nächsten Gäste ein und wirkten ein wenig überrascht aufgrund der Tischordnung. Die Tische waren nicht in eine besondere Form gebracht worden, z. B. ein U oder ein großer Kreis, sondern boten jeweils Platz für 4-8 Personen, bei ca. 30 zu erwartenden Teilnehmern. Alle Tische waren mit weißen Servietten und Besteck eingedeckt und suggerierten, dass wir gleich ein üppiges Mahl zu uns nehmen müssten, statt uns über Literatur und das Schreiben bei einem Getränk zu unterhalten.
Rasch füllten sich der Raum und der Tisch, an dem ich Platz genommen hatte. Die ältere Dame zu meiner Rechten wirkte nervös. Sie wartete darauf, dass jemand das Wort ergreife und die Zusammenkunft offiziell eröffnete. Die Uhr zeigte Viertel nach Sieben, ein paar Nachzügler trudelten ein. Inzwischen hatten wir uns an unserem Tisch untereinander bekannt gemacht, hofften jedoch, dass eine gemeinsame Zielrichtung vorgegeben würde.
Endlich stand jemand vom ersten Tisch auf und ergriff das Wort. Nach einer knappen persönlichen Vorstellung wurde vorgeschlagen, dass bei diesem ersten Treffen herausgefunden werden sollte, wohin die Reise geht. Alle waren damit einverstanden, Kontaktdaten und literarische Interessen nach dem Biete-Suche-Prinzip in einer Liste zusammenzustellen, denn es deutete sich bei der recht hohen Anzahl von 22 Anwesenden an, dass diese sehr vielfältig waren. Die einen, die schon mehrere Bücher (egal ob E-Book, Papierbuch, Verlagsveröffentlichung oder Selfpublishing) veröffentlicht hatten, waren eher an Marketing-Strategien interessiert, andere, die mit dem Schreiben begonnen hatten oder ihre Fähigkeiten ausbauen wollten, interessierten sich mehr für Schreibtipps und Kritik zu ihren Texten.
Die Lage des Treffpunkts war gut gewählt, denn wie sich heraus stellte, kamen wir aus allen Himmelsrichtungen zusammen – ich erinnere mich an die Bezirke Reinickendorf, Wedding, Mitte, Lichtenberg, Zehlendorf und ich selbst aus Steglitz. Auf eine große Vorstellungsrunde wurde bewusst verzichtet, sondern wir verfuhren nach dem Speeddating-Prinzip. Und so wechselten nach und nach die Leute bunt von einem Tisch zum anderen.
Der Stammtisch nahm Fahrt auf und ich fand es sehr spannend, zu erfahren, was und wie jeder zu seinem Schreiben steht und wo er hin möchte.
Da gab es S., der intensiv für seinen historischen Roman im frühen Mittelalter, basierend auf einer realen, doch recht unbekannten Person aus Frankreich, recherchiert hatte und einen kompletten Plan aufgestellt hatte, wie sich die Geschichte und die Figuren entwickeln sollten. Mit dem Schreiben komme er aber nicht richtig voran. Deshalb besuchte er vor kurzem einen Volkshochschulkurs an einem Wochenende und empfahl diese Art des Schreibens und der Übungen unbedingt weiter, weil sich sein Kopf für ein Wochenende lang nur mit dem Schreiben beschäftigen musste und er endlich frei für Ideen war.
K. hatte schon lange und viel geschrieben, doch ihre Manuskripte und Texte landeten immer in der Schublade. Vor einigen Monaten hatte sie sich entschlossen, Verlage anzuschreiben. 50 Stück an der Zahl waren es. Manchen bot sie ihr Manuskript sogar mehrmals an – ausversehen. Letztendlich war ihre Suche erfolgreich und sie konnte einen kleinen Verlag für sich begeistern. Nun ist ihr Buch im Handel verfügbar und muss den Leseratten bekannt gemacht werden, z. B. durch Lesungen, Leseproben, Webseite, Flyer, Visitenkarten… Hier gehts zu ihrem Blog und Josef.
D. schreibt seit über 10 Jahren und hat irgendwann mit einem Roman begonnen. Zu einem Drittel hat er ihn fertig, doch dann rückten Ausbildung und Studium in den Vordergrund. Jetzt hat er wieder mehr Zeit und möchte sein Werk vollenden. Dazu soll ihm der Austausch mit anderen Autoren behilflich sein. Und auch hier geht es zu seiner Webseite.
Es folgten viele weitere interessante Gespräche, doch möchte ich hier einfach nur auf weitere Webseiten anwesend gewesener Autoren und Verbände verweisen:
- www.carolawolff.de
- www.berliner-biographieservice.de
- www.jacobasch.net
- www.bvja-online.de
- www.fda-berlin.de
Wir sponnen erste Ideen, wie die gemeinsame Arbeit aussehen könnte. Zum Beispiel könnten sich zwei Leute zusammenfinden, gern aus unterschiedlichen Genres wie Liebesroman und Thriller, und würden sich bis zum nächsten Treffen eine gemeinsame Hausaufgabe stellen, die jeder für sich bearbeiten und beispielsweise eine Kurzgeschichte oder ein Gedicht verfassen würde. Dann würde man sich gegenseitig austauschen und dem anderen z. B. mitteilen, welche Gedanken und Emotionen durch den jeweiligen Text ausgelöst wurden.
Eine andere Idee war die Verbindung des Austauschs mit Aktion und Bewegung. Besonders geeignet scheint mit hier eine literarische Wanderung, die zu zweit oder in kleinen Gruppen stattfinden kann. Denn oft ist es doch so, dass durch die Bewegung und die sich ständig verändernde Umgebung, neue Impulse gegeben werden.
Dieser Autorenstammtisch hat mir wirklich Spaß gemacht. Und ich habe einige interessante Leute kennen gelernt. Als ich das Lokal verließ, war es halb 11 – die Zeit war im Fluge vergangen. Ich hoffe, dass es weitere Treffen geben wird!
Stefan sagt:
Hi David,
schön beobachtet – wenn du jetzt noch die Verbandsquerelen mit einbaust, kannst du einen humorigen Insiderroman schreiben, „Au, Toren!“ wäre ein Titelvorschlag.
Deine Gedicht gefallen mir, das ist leichtfüßige Neo-Romantik, aber formstreng und ohne Empfindsamkeitsrausch…
Bis zum nächsten (?) Autorentreffen
Stefan D.
4. Juni 2015 — 9:52
Jordan T. A. Wegberg sagt:
Hallo David, danke für deine ausführliche Schilderung dieses Abends im „Italo“! Einige der Ideen sollte man wirklich weiterverfolgen, sie klingen frisch und innovativ.
Ich finde, das Treffen hat bewiesen, wie viel Bedarf nach Austausch, gemeinsamen Aktivitäten und gegenseitiger Unterstützung besteht, und das ist ja auch kein Wunder, denn das Schreiben als solches findet ja im Allgemeinen „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ statt.
Grüße von Jordan
4. Juni 2015 — 9:54