Silbenton

Das Blog für Lyrik, Prosa, Musik und Ton.

Archive (Seite 16 von 25)

Augenblick IV – Winter

Jede Nacht starrt sie in die Ferne,
Trotzt Wind, Schnee und Eis.
Betrachtet so den Sternenhimmel,
Umgeben von schillerndem Weiß.
Der Winter zerrt an ihren Kräften,
Doch sie gibt ihn niemals auf,
Aug’ in Aug’ sehen sie sich an,
Das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Tränen rollen über ihre Wangen,
Ein heftiger Sturm kommt auf,
Gefrieren zu funkelnden Perlen,
Zersplittern und fliegen hinauf.
Im glitzernden Dunkel der finsteren Nacht
Erstrahlt die Hoffnung und scheint,
Im Sternzeichen der fischenden Rose
Auf ewig beisammen vereint.

David Damm, 2005

Hiermit endet das Gedicht vom Fisch und der Rose. Zum Nachlesen der vorherigen Teile gehts hier zum Frühling, Sommer und Herbst.

Die Tüte

Eine große weiße Plastiktüte mit blauer Aufschrift steht auf dem Sitz neben dem Mann in der S-Bahn. Die Beine hat er zusammen gezogen und die Hände dazwischen geklemmt.
An seinem linken Fuß steht eine Bierflasche auf dem Boden. Er greift nach ihr, nimmt den letzten Schluck und kramt dann in der Tüte. Mit gerötetem Gesicht, einer Knollnase und dünnem Haar erinnert er an Harald Juhnke. Er tauscht die Flasche gegen eine volle aus. Die Verschlusskappe zischt und er kostet von ihrem Inhalt.
Auf der Tüte steht: »Achtung! Patienten-Eigentum!«

Eine Million Bücher

In einer Lagerhalle in Berlin-Tempelhof findet der Abverkauf von über einer Million Bücher zu je einem Euro statt. Die Bücher dort sind die Überreste eines Buchgroßhandels aus Köln, der Pleite gegangen ist. Die Buchhandlung nahm Restauflagen von den Verlagen zu einem guten Preis ab und verkaufte diese als preisreduzierte Mängelexemplare weiter. Das Konzept ist jedoch auf Dauer nicht aufgegangen und nun werden die Bücher regelrecht verscheuert. Nachdem erst einige Monate in Köln der Abverkauf statt fand, hat man nun unzählige LKW-Ladungen voll mit Bücherpaletten nach Berlin gekarrt. Keine Frage, da musste ich hin!

1.000.000 Bücher – je 1 Euro

In der Nähe des U-Bahnhofs Alt-Mariendorf hinter der Großbeerenstraße steht die unscheinbare Lagerhalle in einem Industriegebiet. Ein selbst gezimmertes Hinweisschild weist auf den letzten Metern den Weg in die richtige Richtung zum Eingang. Die automatischen Schiebetüren öffnen sich und es offenbart sich eine Halle von mehreren hundert Quadratmetern. Vom Kunstlicht hell erleuchtet stehen dicht aneinander gereiht Palette um Palette. Wild umher stobende Bücher quillen aus den Paletten hervor. Die Transportboxen drohen aus ihren Nähten zu platzen. Ich werde schlicht von der Fülle erschlagen.

Ich nehme mir jede einzelne Reihe vor, um ja kein vermeintliches Schätzchen zu übersehen. Doch das wird eine Mammutaufgabe. Es gibt etliche Kochbücher, Kinderbücher, Krimis, Romane und Groschenheftchen. Häufig eine ganze Palette von einem Buch. Aber dann wird schnell klar, dass die allerbesten Sachen schon weg sind oder vielleicht nie gegeben hat. Zwei Stunden wühle ich mich durch die Bücherstapel mit Literatur aus den vergangenen 20 Jahren und finde dann doch sieben kleine Dinge, die mich interessieren.

1.000.000 Bücher

Zuerst sei das PC-Spiel Boulderdash genannt. Ich fand es irgendwo zwischen ein paar wenigen DVDs und musste es mitnehmen, weil es mich an das Original auf dem C64 erinnerte. Das Spiel war Kult und ich musste es haben. Für einen Euro. Geschenkt!

Zwischendrin gabs immer wieder mal ein paar CDs: manche mit Schlagermusik aus den 90ern, mit Daniela Katzenberger und sogar ein paar Hörbücher. Ich habe drei gefunden, die mir gefallen haben:

  • »Diamantenfieber« von Ian Fleming
  • »Sakrileg« von Dan Brown
  • »Am schönsten Arsch der Welt« von Bernhard Hoëcker

Und nun zu meinen Highlights – den Büchern. Sie haben mich regelrecht angesprungen und ich wollte auch nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Und so habe ich doch tatsächlich zwei Poesiebücher in dem riesigen Wust gefunden. »Die schönsten Gedichte« von Friedrich Schiller mit Klassikern wie »Das Lied von der Glocke«, »Die Kraniche des Ibykus« und »Die Bürgschaft«. Mir war ganz entfallen, dass »Die Bürgschaft« 20 Stropen lang ist mit je 7 Versen. Das macht also insgesamt 140 Zeilen, die ich damals in der Schule freiwillig auswendig gelernt hatte. Ich war auch mächtig stolz darauf. 🙂

»Weil Lachen fröhlich macht«, hatte einen schönen Titel und bezeichnete sich selbst als Gedichte-Schnupperbuch für neugierige Kinder. Nun bin ich rein äußerlich kein Kind mehr, aber es zauberte mir sofort ein Lächeln ins Gesicht und da habe ich es eingesackt. Die Gestaltung des Buches ist ganz wunderbar mit vielen liebevollen schwarz-weiß-blauen Zeichnungen. So erfährt man zum Beispiel, warum der armen Tante Adelheid ihr Rüschenkleid geplatzt ist. Die Gedichte stammen von unterschiedlichen Dichtern und wurden sorgsam für Kinder ausgewählt. Häufig werden Tiere thematisiert, z. B. in »Ungereimtes über den Iltis« von Masche Kaléko.

Jung – Dynamisch – Erfolglos

Zu allerletzt habe ich »Ein literarischer Bewerbungsratgeber« entdeckt, dessen Untertitel mich überzeugt hat. Und wer hat denn nicht selbst schon einmal in dieser schwierigen und anstrengenden Phase gesteckt? Da kann es durchaus interessant sein, ob nicht Kästner, Orwell, Bukowski, Tucholsky und andere in dem knapp 200-seitigen Buch irgendwelche Tipps für einen selbst bereit halten. Natürlich immer mit einem Augenzwinkern. 😉

Kleiner Stern

In jeder dunklen klaren Nacht,
Die Sterne hoch am Himmelszelt,
Mit Glitzerfunkeln still bedacht,
Bereisen strahlend diese Welt.

Der Mond erwacht mit gelbem Schleier,
Selbst müde grüßt er die Planeten,
Winkt zag der hübschen Cassiopeia,
Im Flug umtanzt von Schweifkometen.

Und dann ein Stern, so hell und klein,
Steht da, von mir berührt, und lacht,
Und leuchtet tief ins Herz hinein,
Tagaus, tagein und Nacht für Nacht!

David Damm, 2008

Weihnachtskalender 2016

Es ist schon wieder so weit. Der Winter naht und die Weihnachtszeit rückt mit großen Schritten näher. Und so startet am heutigen 1. Dezember zum fünften Mal der Akustische Weihnachtskalender für das Jahr 2016. Jeden Tag bis zum 24. Dezember öffnet sich ein Türchen und es wird eine kleine Geschichte oder ein Gedicht zum Anhören geben.

Ich bin schon jetzt auf die sicherlich wieder großartigen Beiträge gespannt!

Und wer nicht genug bekommen kann, kann durch die Kalendertüren der vergangenen Jahre stöbern: 2012, 2013, 2014 und 2015.

Augenblick III – Herbst

Gummistiefel waten durch das Moor,
Und halten am Ufer zur Rast,
Die finstere Schlinge wird ausgeworfen,
Die Versuchung wird ihm zur Last.
Blitz und Donner, Naturgewalten,
Prasselnder Regenschauer,
Aufgegeben, zugeschnappt,
Versunken in elender Trauer.

Während er flog, hat er sie angeschaut.
Er sah ihr tief in die Augen.
Sie erwiderte seinen Blick,
Am Himmel flogen weiße Tauben.
Glückshormone schossen durch ihre Adern,
Erfüllten sie mit Glückseligkeit.
Tränen fielen, Freudentaumel,
Ende der gemeinsamen Zeit?

David Damm, 2005

Das ist die herbstliche Fortsetzung des Gedichts vom Fisch und der Rose. Hier gehts zu den vorherigen Teilen vom Frühling und Sommer.

Vehlefanz

Ein Biber verlobt‘ sich in Vehlefanz
Und bat seine Frau bald zum Hochzeitstanz.
Er glänzte im Frack,
Sie trug schwarzen Lack
Und schrie schmerzlich: „Aua, du stehst auf dem Schwanz!“

David Damm, 2016

Der Neuntöter

Es war zu einer alten Zeit
Der Helden und Legenden,
Die Wälder tief, die Täler breit,
Als wollten sie nicht enden.

Auf einem Berg kam es zur Schlacht,
Am Drachenhöhlenfelsen,
Die Ritter starben, alle acht,
Geköpft an ihren Hälsen.

Mit tausend Wunden übersät,
Der Drache auch verschied,
Ein Vogel hat vom Baum gekräht
Und sang ein Abschiedslied.

Ein Hirte kam mit seinem Stab,
Er galt als Schwerenöter,
Er sah den Vogel und das Grab:
»Das war der Neunetöter!«

David Damm, 2016

Pulsgeworden

Im September 2016 ist eine Anthologie unter dem Namen »Pulsgeworden – Stadt schlägt Sinn in Dir« erschienen. Die Herausgeberinnen sind Stephanie Mattner vom Projekt Sternenblick und Jennifer Hilgert.

Im Buch beschreiben etwa 50 Autorinnen und Autoren ihren ganz persönlichen Blick auf die Stadt Berlin. In Form von Gedichten und Kurzgeschichten wird hier vom Ankommen in der Stadt gesprochen, von der Liebe zum Kiez, vom Mauerfall und der Wendezeit, von den Menschen und den Straßen, vom Entdecken per Bus und Bahn, vom Erlebnis Berlin bei Tag und bei Nacht.

Zur Premiere gab es eine Lesung im Cafe Mahlsdorf. Etliche Autorinnen und Autoren fanden sich in gemütlicher Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen an einem Sonntagnachmittag ein. Elf Vorträge wurden gehalten, wobei jeder sein abgedrucktes Werk und bis zu drei weitere Stücke in zehn Minuten vortragen durfte.
Ein alter Mann, ganz in weiß gekleidet, nahm vor dem Publikum Platz. Er setzte sich nicht, sondern trug seine »Ode an die Spree« im Stehen vor. Er hatte die losen Zettel auf dem Tisch abgelegt und den Stuhl zur Seite gerückt. Sein Blick ging in die Ferne und er sprach die Verse frei und klar hinaus. Mit seiner Mimik untermalte er das Gesagte und mit den Händen gestikulierte er: sei es der Fluss, der sich in seinem Bett wandte, die Raben, die über Moab flogen oder der Kirchturm, hinter dem die Sonne verschwand. Nach der Ode folgten weitere Gedichte, wo jedes für sich eine eigene Geschichte aus Moabit erzählte, zusammen genommen jedoch ein kleines Meisterwerk entstand. Mit begeistertem Applaus wurde diese fabelhafte Vorstellung von Horst Jahn honoriert.

Nach gut zwei Stunden und einer kleinen Pause, die zum Kontakte knüpfen und für ein Gruppenfoto genutzt wurde, fand diese Lesung ihren erfolgreichen Abschluss.
Eine weitere Lesung mit anderen Autorinnen und Autoren aus dem Buch »Pulsgeworden« findet am Samstag, 3. Dezember, um 20 Uhr im DanTra’s in Schöneberg statt. Facebook-Termin vormerken!

Pulsgeworden Gruppenfoto

P.S. Ich bin mit meinem Gedicht »Erwachen einer Stadt« im Buch vertreten.

Oliver

im treppenhaus treffe ich den rundlichen oliver
 verkleidet als geschmacklose olive_
 von mütz bis schuh in oliv__
 echt häßlich oli___
 und so ol____
 o_____

David Damm, 2016

Der Hausspatz

spatzen-am-meisenknoedel

An einer Ecke in Berlin
Schwingt an ’nem Straßenschild
Ein Meisenknödel hin und her,
Und macht die Spatzen wild.

Sie kommen aus dem Waldgesträuch
Und piepsen keck mit Lust,
Ein Sonnenblumenkern, der schmeckt,
Und stärkt die schmale Brust.

Die Menschen fegen durch das Laub,
Die Spatzen fliegen flach,
Sie stieben fort als flinker Schwarm,
Und landen auf dem Dach.

Der Schornstein raucht, der Himmel blaut,
Die dünnen und die dicken,
Die hocken sich im Sonnenschein
Auf’s Fensterbrett und picken.

Der Giebel ist aus rauhem Holz,
Dahinter Gelb vom Stroh,
Ein Spatz schlüpft durch den engen Spalt,
Und haust dort warm und froh.

November liegt schon in der Luft,
Es tschilpt ein kleiner Matz,
Gefüttert werden möcht‘ er liebst
Von seinem Elternspatz.

David Damm, 2016

 

Die Kiefer

Eine Kiefer
Steht so schief da,
Wurzeln in den Grund gerammt.
Schaut nach Osten,
Hält den Posten
Bis die Sonne sich entflammt.

David Damm, 2016

Allein

Ich bin allein.
Allein im Wald.
Ich hör‘ den Blättern zu.
Hier ein Fiepen,
Dort ein Trällern,
Hier ein Klopfen,
Dort ein Ruf,
Hier ein Summen,
Dort ein Sirren,
Hier ein Brummen,
Dort ein Schrei.
Ich bin im Wald –
Und nicht allein.

David Damm, 2016

Was alles durch geht

Vater geht durch die Straßen.
Arbeit geht durch die Hände.
Wasser geht durch die Rohre.
Mutter geht durch die Küche.
Liebe geht durch den Magen.

David Damm, 2016

Hello Wien

Halli, Hallo und Hello Wien,
Du schaurig schöne Stadt,
Die Leute durch die Gassen flieh’n,
Vor Geistern, die nun rastlos zieh’n,
Zum Spuk am Riesenrad.

Das Leierkastenmann-Skelett
Spielt Mitternachtsmusik,
Im Prater richtet man’s Bankett,
Auf Bohlen klappert das Ballett
Der Schreckgespenstfabrik.

Ein blinder Reiter prescht nach Nord,
Sein Kopf rollt nebenher,
Die Droschke rüttelt immerfort
Auf Kopfsteinpflaster durch den Ort,
Und fegt die Gassen leer.

Der Kirchturm schlägt die Dreizehn schon
Und aus den Gräbern steigen
Die Namenlosen still ohn‘ Ton,
Bedeckt mit rotem Alpen-Mohn
Und brechen jäh ihr Schweigen.

Sie fallen in dem Schlosse ein,
Das Schön und Brunnen trägt.
Der Gräfins Geist im Mondenschein
Klagt den Gespenstern ihre Pein,
Bis sich die Nacht bald legt.

David Damm, 2016

Ein älteres Gedicht zum Thema Halloween findet sich hier.

Leise rieselt’s

Leise rieselt’s vom Baum,
Blätter wirbeln im Raum,
Stille zieht ein in den Wald:
Freue dich, Frosts Kind kommt bald.

Leer und weit ruht das Feld,
Uhr wird rückwärts gestellt,
Wind bläst nun kräftig und kalt:
Freue dich, Eiszeit kommt bald.

Mond erstrahlt hell und klar,
Sternenfunkeln wird wahr,
Schwebt eine weiße Gestalt:
Freude dich, Winter kommt bald.

David Damm, 2016

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