Das Blog für Lyrik, Prosa, Musik und Ton.

Schlagwort: lockdownlyrik (Seite 1 von 1)

wider / wieder

für wochen gefangen im häuslichen turm
    / zurückgewonnene freiheit entfacht das leben im sturm
nur einsame runden im endlosen regen
    / endlich wieder hinaus ohne masken und regeln
mittags abgespeist mit reis und petersilie
    / sich die ersehnte reise erfüllen zu der familie
mit blassen wangen vor dem spiegel gestanden
    / vom alltag ablassen und in der ferne stranden
in den seilen gehangen vom langen verstecken
    / die aussicht an steilen passagen entdecken
wann den letzten eisbecher im café gegessen
    / wanderschuhe werden zum eisbrecher an alpenpässen
die ewig gleiche sicht übers platte heimatland
    / neue platten beschallen den hungrigen verstand
wie ein fauler wal tagein tagaus in der bude gehockt
    / du hast die wahl und nun wird die welt gerockt

David Damm, 2021

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Frei(bad)

Fritzchen sitzt wochentags für viele Stunden
Hinter dem Monitor gänzlich verschwunden,
Statt mit den Freunden gemeinsam zu zocken,
Paukt er die Algebra, staubig und trocken.

Sonnenschein bruzzelt, das Hirn kocht zu Brei,
Homeschooling kennt leider kein hitzefrei,
Umso erfreulicher ist’s nach der Schule,
Das Freibad hat offen und Fritz macht Bambule.

Er schnappt sich das Fahrrad, tritt in die Pedalen,
Braust rasend vorüber an Ausflugslokalen,
Stellt’s Radel am Zaun ab und flitzt zu dem Tor,
Die Schlange ist lang und sie krümmt sich davor.

Ein Zeitfenster hatte sich Fritzchen gebucht,
Ein Testcenter hatte er vorher besucht,
Er zeigt seine Zettel, es sind eins, zwei, drei,
Natürlich hat er auch ein Ticket dabei.

Er sucht sich ein Plätzchen nicht weit von dem Becken,
Die Kumpels kann er in dem Bad nicht entdecken,
Jetzt rollt er das Handtuch im heißen Sand aus,
Jemand schwingt sich vom Zehner und erntet Applaus.

Vergebens sucht Fritzchen im Innern der Tasche,
Er findet nur Flossen und Sonnencremeflasche,
An alles gedacht, nur die Hose vergessen,
Doch davon lässt Fritzchen sich nun nicht mehr stressen.

Mit hurtigen Füßen und mutigem Sprung
Taucht er in das Wasser, es platscht durch den Schwung,
Die Wellen umspielen nach so langer Zeit
Und Fritzchen ist glücklich, ja, endlich befreit.

David Damm, 2021

Lockdownlyrik

Seit Dezember befinden wir uns immer noch im zweiten sogenannten Lockdown und in der dritten Welle. Im Großen und Ganzen sind nur Geschäfte des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Drogerien, Buchhandlungen) geöffnet. Seit Frühlingsbeginn kamen noch die Gärtnereien hinzu. Die Läden dürfen nur mit FFP2-Maske und unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m betreten werden.

Anfang Januar rief Fabian Leonhard vom Trabanten Verlag zur Einsendung von Gedichten und lyrischen Texten zum Thema »Lockdown« über Instagram auf. Es dauerte nur wenige Wochen, schon waren über eintausend Werke eingegangen, die dann in loser Folge auf dem Instagram-Kanal von Lockdownlyrik gepostet wurden. Es wurde die Idee geboren, aus den besten Stücken ein Lyrikbuch zu gestalten.
Eine Jury aus vier Personen bewertete die vielen Gedichte und traf eine Auswahl, weitere halfen bei der Gestaltung eines Covers und dem Setzen des Buchblocks, so dass in kürzester Zeit ein neues Buch entstanden war.

Nun möchte ich euch freudig verkünden, dass mein eingeschicktes Gedicht »Quarantäne« in das Buch aufgenommen wurde. Ihr erinnert euch vielleicht, dass es ein Gedicht bestehend aus nur einem Reim, also einem Haufenreim, war. Eine schöne Überraschung, damit unter den 100 besten Autorinnen und Autoren sein zu dürfen. Und das allerbeste: sämtlicher Gewinn, der bis Ende des Jahres mit dem Buch erzielt wird, kommt der Berliner Obdachlosenhilfe zu Gute. Bis jetzt wurden schon über zweitausend Bücher verkauft und eine zweite Auflage in Auftrag gegeben.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf www.lockdownlyrik.de oder direkt beim Verlag www.trabantenverlag.de, wo man das Buch erwerben kann.

Obergimpern

Es trugen die Herren im Ort Obergimpern
Pomade im Haar und gestriegelte Wimpern,
Dann schloss der Barbier,
Seitdem können hier
Die Herren kaum blinzeln noch klimpern.

David Damm, 2021

Lockdown

Die Straßen und Gassen sind leer und verlassen,
Niemand geht raus zum Flanieren.
Vom Fenster aus sehe ich Füchse und Rehe,
Die Stadt gehört nur noch den Tieren.

David Damm, 2021

Atemlos

Wär ich jetzt am nördlichsten Pole,
Säß ich im Hafen auf der einsamen Mole,
Unter mir knärzte die faulige Bohle,
Überm Iglu wär Rauch schwarzer Kohle,
Am Himmel flöge eine traurige Dohle,
Neben mir läge eine scharfe Pistole,
Ich täte es nur der Menschheit zum Wohle:
Nie wieder sprühte ich Aerosole.

David Damm, 2021

Quarantäne

Die quirlige Qualle ist in Quarantäne,
Doch morgens vorm Frühstück putzt sie sich die Zähne,
Und kämmt vor dem Spiegel die wallende Mähne,
Ins hübsche Gesicht fällt ihr eine Strähne.

Die quirlige Qualle ist in Quarantäne,
Doch sie hatte eigentlich so viele Pläne,
Zum Einkauf am Markt mit Sprudelfontäne,
Zum Stadtpark, zum Teich, zum Füttern der Schwäne.

Die quirlige Qualle ist in Quarantäne,
Doch wäre sie gerne am Fluss, auch alleene,
Dort trieben die Bötchen, im Hafen die Kräne,
Die drehten sich rastlos und füllten Lastkähne.

Jetzt steht sie am Fenster und kriegt ’ne Migräne,
Am Baum klopft ein Specht, es fliegen die Späne,
Sie blickt auf die Uhr und verdrückt eine Träne,
Zwei Wochen sind um, adieu Quarantäne.

Sie freut sich und jubelt und springt auf die Beene,
Die quirlige Qualle war in Quarantäne,
Bevor ich’s vergesse und hier nicht erwähne
Die quirlige Qualle war in Quarantäne.

David Damm, 2020