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Tafelkultur

Es war einmal … eine Herzogin, die zur Tafel in den holzvertäfelten Speisesaal geladen hatte. Es gab für die Gäste Tafelspitz. Der Koch hatte ihn mit feinkörnigem Tafelsalz gewürzt und servierte die Speise mit einer cremigen Soße aus Tafel-Meerrettich. Zerlaufene Tafelbutter wurde auf die Kartoffeln gegeben. Dazu wurde Wein und ein kühles Tafelwasser gereicht. Gespeist wurde mit dem familiären Tafelbesteck aus Tafelsilber. Das Tafelgeschirr war aus weißem Porzellan mit feinen blauen Linien. Der Tisch war mit einem großen, weißen Tafeltuch eingedeckt. Die Tafelleuchter standen auf der Mitte und die Flammen der Kerzen flackerten. Als Nachspeise hatte die Herzogin Tafelbirnen ernten und Tafeltrauben importieren und bereitstellen lassen. Süße Mäuler konnten auch ein Stück von einer Schokoladentafel wählen. Mit wässrigem Mund saßen die Gäste an der reich geschmückten Tafelrunde, klapperten mit dem Besteck und warteten, dass der Hofnarr sein Tafellied anstimmte:

Wir wollen fein und lange tafeln,
Als nur von Wein und Schwein zu schwafeln.

Die Tafelnden griffen begierig zu, spießten mit dem glänzenden Tafelbesteck die Speisen auf und führten sie den Mündern zu. Der Hofnarr spielte währenddessen keine schöne, aber dafür umso lautere Tafelmusik, um die schmatzenden Geräusche zu übertönen.

Und heutzutage … muss man nicht mehr so einen Aufwand betreiben: man geht einfach in ein Lebensmittelgeschäft, kauft ein tafelfertiges Essen, erwärmt es zuhause in der Mikrowelle und kann wenige Minuten später seine Tafelfreuden genießen.